Alois Reinhardt

2013

Kritik

Andreas Wilink

Zwischen Himmel und Hölle

1978 ließ der “Spiegel” den Literaturwissenschaftler Hans Mayer den kaum bekannten Roman von Alfred Döblin über einen anderen, früheren deutschen Herbst, November 1918, besprechen. Der “Deutsche auf Widerruf” schloss seine Rezension mit der Aufforderung und Einsicht: “Ein Buch für Bundeskanzler, Gewerkschaftsführer und Unternehmer, für die Hardthöhe wie für Rudi Dutschke. Aber sie werden es nicht lesen.”

Politik, Religion und Metaphysik – das geht bei Döblin zusammen, seine Geschichte spielt “zwischen Himmel und Hölle” mit einem intelligenten Einflüsterer Satan (Alois Reinhardt als Punk-Berserker-Krüppel). November 1918 bezieht sich auf die antike Tragödie ebenso wie auf Wagners  Ring; sein Klima wird auch den Doktor Faustus umwehen in der zweiten großen deutschen Höllenfahrt. Geistig-körperliches “Leiden an Deutschland” peinigt auch Rosa, wenn ihr gefallener geliebter Hannes (ebenfalls Reinhardt) wie ein Dibbuk aus ihr spricht, sich an sie drängt und auf ihr lastet als Albdruck, winterweiß kalkig geschminkt und expressionistisch verzerrt. Gleich einer der Staatsgewalt trotzenden Antigone betrauert sie ihn, während das Paar sich wie Tristan und Isolde ineinander auflöst.

Karl und Rosa nach Alfred Döblin bearbeitet von Alice Buddeberg und Nina Steinhilber

Regie: Alice Buddeberg, Bühne: Cora Saller, Kostüme: Martina Küster, Musik: Stefan Paul Goetsch, Dramaturgie: Nina Steinhilber.

Mit: Sophie Basse, Benjamin Berger, Daniel Breitfelder, Johanna Falckner, Glenn Goltz, Julia Keiling, Alois Reinhardt, Sören Wunderlich.

Dauer: 4 Stunden, eine Pause.