Aufgebaute Ruinen, verdrängte Traumata
Göttingen. Ein Textheft braucht das Ensemble nicht. Gesprochen wird kaum in der Bühnenfassung des Werner-Bräunig-Romans „Rummelplatz“ am Deutschen Theater in Göttingen. Regisseurin Christina Friedrich hat vielmehr mit elf Schauspielern, dem Pianisten Hans Kaul und dem Jagdhund Frau Holle einen Bilderbogen erarbeitet, der ohne Worte auskommt. Theater der Körper, Theater der Bewegung.
Ja, die Suchenden: Es ist das mit gewaltigem Körpereinsatz auftrumpfende Ensemble, das aus dem deutschen Identitätsverlust der Stunde Null ein beeindruckend vitales und differenziertes Menschentheater macht – und am Ende sehr konsequent die Zuschauer dazu auffordert, beim “Freude schöner Götterfunken” mit einzustimmen – in eine letzte Utopie.
Das Publikum aber schweigt, bevor es applaudiert. Das Mitsingen kann ja später stattfinden. Denn wie es der Zufall will, wird Deutschland wenige Stunden später im fernen Oslo einen internationalen Liederwettbewerb gewinnen. Es kann sich also mal wieder über sich selber wundern und vielleicht auch etwas verschämt denken: Jetzt sind wir wieder wer. Was immer das dann auch bedeuten mag.